DAUERPATIENT KÖLNER DOM

Die Kölner und ihr Dom. Sie sind wie ein Herz und eine Seele. Der Kölner Dom ist unbestritten das bekannteste Kölner Denkmal und das Herz der Stadt. Die gotische Kirche muss aber intensiv gepflegt werden, um nicht zu sagen, es wird ständig am Herzen der Stadt operiert.

"Der Kölner Dom ohne Gerüst ist keine Wunschvorstellung, sondern eine Schreckensvorstellung", meint Barbara Schock-Werner, ehemalige Dombaumeisterin. "Eine Kathedrale wie der Kölner Dom braucht ununterbrochen Pflege, um der Nachwelt erhalten zu bleiben", sagt Matthias Deml, Kunsthistoriker und Pressesprecher der Dombauhütte.

Es gibt so einige Gefahren, denen der Dom ausgesetzt ist. Zunächst sind da die Witterungsbedingungen. Dadurch hat das Gestein des Domes im Laufe der Zeit auch eine dunklere Farbe angenommen. Den sauren Regen gibt es aber nicht mehr in dem Ausmaß, wie er in den 70er Jahren auf den Kölner Dom einprasselte. Vor allem säurebildende Abgase, die durch Industrieanlagen, private Haushalte und den Verkehr in die Luft gelangten, waren damals für den sauren Regen verantwortlich. "Mittlerweile gibt es so gute Filtervorrichtungen, dass ich es nicht mehr als ein Hauptproblem des Domes ansehe", sagt Sophie Hoepner, Diplomrestauratorin am Kölner Dom. Viel gravierender sind Baumaterialien, die im 19. Jahrhundert verwendet wurden und heutzutage als nicht geeignet angesehen werden. "Beispielsweise führen korrodierende Materialien, sobald Wasser eindringt, zur Sprengung, weil das Material sich ausdehnt", so Hoepner.
Und da sind die Tauben. Wer kennt nicht die Ratten der Lüfte und ihre dauernde Präsenz? "Durch den Bau ihrer Nester blockieren sie die Wege für das ablaufende Wasser und dadurch können Schäden entstehen. Dennoch stellen die Tauben kein gravierendes Problem für den Kölner Dom dar", meint Hoepner. Eine weitere Gefahrenquelle sei laut Schock-Werner die unter dem Dom entlang führende Linie 5 der U-Bahn, da die ständigen Erschütterungen bei Fahrbetrieb eine dauerhafte Belastung für den Dom darstellen. Der Einsatz eines modernen Schienensystems könne die Erschütterungen jedoch deutlich reduzieren, da der betroffene Schienenbogen noch nach der Gleistechnik der 60er Jahre gebaut wurde.

Konservieren und Restaurieren am Dom

Die Aufgabe eines Dombaumeisters ist es, die Dombauhütte zu leiten und Erhaltungs- und Restaurierungsarbeiten zu veranlassen. "Dabei ist Sicherheit immer das Wichtigste. Man hat einen langfristigen Plan, der sich über einige Jahre erstreckt. Natürlich muss man zwischendurch den Plan auch spontan ändern, wenn beispielsweise akute Schäden auftauchen, die behandelt werden müssen", erklärt Schock-Werner. Sie ist ihrem alten Freund, dem Dom, trotz Pensionierung immer noch physisch und psychisch sehr nahe, da sie in unmittelbarer Nachbarschaft wohnt. Trotz der vielen Restaurierungen seien noch circa 90 Prozent des Originalmaterials am Dom erhalten, so Schock-Werner. Ausgewechselt wird immer nur die Oberfläche und nur die Substanzen, die unbedingt notwendig sind, um die Originalsubstanz zu schonen.
Ein Paradebeispiel für eine Restaurierung am Dom ist die Domplombe. Das durch einen Bombenangriff im Zweiten Weltkrieg entstandene Loch im Nordturm wurde noch zu Kriegszeiten mit Ziegelsteinen geflickt und galt vielen Kölnern als Mahnmal. Erst 2004/05 wurde die Plombe wieder verkleidet, der Nordturm also restauriert, damit er wieder seine frühere Gestalt annimmt. "Die Idee des Doms ist das Ganze und nicht nur das Steinmaterial. Deshalb ergänzen wir auch Stücke, die verloren gegangen sind oder zerstört wurden", erklärt Schock-Werner. Die Chorschranken-Malereien im Kölner Dom werden wiederum konserviert. "Hier malen wir nicht einfach die Dinge dazu, die fehlen", beschreibt Schock-Werner.
Das berühmte Fenster des Künstlers Gerhard Richter war eine Art Revolution. "Ja eigentlich war es gar nicht als solche gedacht, ist aber letztendlich eine geworden", sagt Schock-Werner. Die Planung und Umsetzung des Fensters im Südquerhaus fiel in ihre Amtszeit. "Der Plan war zunächst, die Märtyrer des 20. Jahrhunderts darzustellen. Während meiner Recherche wurde mir aber klar, dass seit 30 Jahren keine Märtyrer mehr künstlerisch dargestellt worden sind. Der Dom verlangt aber eine gewisse Qualität und da bot es sich nicht an, irgendeinen Kirchenmaler zu engagieren, der da sechs Heilige hinmalt", erzählt Schock-Werner. Also wurde letztendlich von dem Plan der Märtyrer-Darstellung abgesehen. Gerhard Richter erhielt den Auftrag, das Fenster zu kreieren. Die Arbeit dauerte fünf Jahre. Es gab jedoch auch einige kritische Stimmen, die mit dem modernen Kunstobjekt im Dom nicht einverstanden waren. Der Großteil der Bevölkerung äußerte sich aber positiv.
"Eine Kathedrale ist ein Bauwerk, das über viele Jahrhunderte in Benutzung ist, in denen sich der Zeitgeschmack und die Liturgie verändert. Deswegen finde ich es selbstverständlich und richtig, dass dann auch ein großartiges Kunstwerk des 21. Jahrhunderts in den Dom eingebaut wird", äußert sich Kunsthistoriker Matthias Deml.

Geißbock Hennes am Kölner Dom

Barbara Schock-Werner ist der Meinung, dass sich die Denkmalpflege mit den Jahren verändert hat. "In den 60er Jahren war die Ideologie der Denkmalpflege eine andere. Man wollte nicht die ursprünglichen Formen wiederherstellen, sondern hat sich etwas Neues einfallen lassen. So kamen absonderliche Dinge an den Dom, wie Kapitelle mit dem Geißbock, Fußballspielern und Funkemariechen. Das Schrägste ist die Figur der Königin von Saba. Sie sieht aus wie aus einem Hollywood-Journal", sagt Schock-Werner.
Ein Dorn im Auge waren Schock-Werner die Portaltrichter, trichterförmige, stufenweise Einlassungen der Portale in die Gebäudewand, die nur teilweise restauriert sind und noch Kriegsschäden aufweisen. Inzwischen werden auch hier Restaurierungsarbeiten vorgenommen. Aber auch der mittelalterliche Chor des Doms hat die Hilfe der Restauratoren nötig. Der Dom bleibt also weiterhin ein Dauerpatient.

Restaurierung ist wie Medizin für Kunst

Neben dem Kölner Dom gibt es in Köln mit seinen zurzeit rund 9.000 Denkmälern aber noch reichlich weitere "Patienten", die der Hilfe von Restauratoren bedürfen. Droht beispielsweise eine Wandmalerei in einer Kirche zu zerfallen, sind sie zur Stelle. "Unsere Arbeit ist weder Kunst, da wir Objekte nicht kunstvoll verschönern und verändern dürfen, noch Handwerk, da wir Objekte nicht perfekt wieder reparieren. Unsere Arbeit ist eine Wissenschaft", beschreibt Friederike Waentig, Professorin für Restaurierung an der Fachhochschule Köln, den Beruf des Restaurators. An der Fachhochschule Köln ist es möglich, den Bachelor und Master of Arts in Restaurierung/Konservierung zu erlangen. Im ersten Semester nimmt jeder Student ein zu restaurierendes Objekt unter seine Obhut und beschäftigt sich mit diesem über eine Periode von drei Semestern. Im dritten Semester restaurieren die Studenten ihre Objekte nach vorher erstelltem Plan.

Wie das Studium aufgebaut ist, hängt zunächst von der jeweiligen Hochschule ab. Zuvor müssen die Interessenten ein mindestens einjähriges Praktikum absolvieren. An den meisten Hochschulen studieren die angehenden Restauratoren dann auch in der Fachrichtung, in der sie zuvor ihr Praktikum absolviert haben.
Corinna Wenger (Name geändert) ist Diplomrestauratorin mit dem Fachgebiet Wandmalereien. Während des Studiums besuchte sie viele Seminare in ihrer Fachrichtung. "Wir hatten aber auch Kunstgeschichte, Naturwissenschaften und Maltechnik als Fächer", erklärt Wenger. Als Restaurator braucht man ein fundiertes Wissen in Kunstgeschichte, um die jeweiligen Werke einzuordnen und natürlich auch Wissen in Naturwissenschaften, um die richtigen Materialien einzusetzen. Maltechnik beinhaltet den Aufbau eines Kunstwerkes. Das heißt, der Restaurator muss erkennen können, ob der Künstler beispielsweise zuerst eine Schicht aus Kalk aufgetragen hat und dann darauf gemalt hat.
"Restaurator ist aber nicht so ein kreativer Beruf, wie viele denken. Man muss sich dem zu restaurierenden Objekt unterordnen und darf nicht irgendetwas Kreatives hinzufügen", erklärt Wenger. Der Restaurator untersucht das Objekt vor der Restaurierung eingängig und erstellt einen Plan, wie er es restaurieren wird. Dazu muss er den zeitlichen Ursprung des Objektes kennen und die Ideologie in dieser Zeit. Außerdem muss der Restaurator Kenntnisse über die Materialien besitzen, zum Beispiel wie sie altern, und wie die Wechselwirkungen zwischen den alten und den neu eingebrachten Materialien sind. Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Restaurator. "Im Prinzip ist es wie Medizin, nur für Kunst. Es geht nicht nur darum, dass beispielsweise ein Gemälde später wieder hübsch aussieht. Man muss zunächst herausfinden, weshalb es beschädigt ist, um dann die Schadensursache und den Schaden zu beheben. Hat ein Patient eine Wunde, klebt der Arzt ja auch nicht nur ein Pflaster darauf, damit man sie nicht mehr sieht", sagt Wenger. Ein üblicher Arbeitsablauf eines Restaurators ist, dass er Voruntersuchungen anstellt und dann einen Plan erstellt, wie er das Objekt behandeln wird. Die Voruntersuchung wird meistens von einem außenstehenden Restaurator durchgeführt. Daraufhin beginnt die Umsetzungsphase. Nach Beendigung dieser Phase muss der Restaurator einen Bericht erstellen, was er wie verändert hat.

Wandel der Denkmalpflege

Ein Restaurator muss viele Entscheidungen treffen und auch kniffelige Fälle lösen. Wenn zum Beispiel bei einer Wandmalerei zwei Schichten aus unterschiedlichen Zeiten übereinander liegen, wird es schwierig. "Wie man sich dann entscheidet, kann man natürlich nicht pauschal sagen. Man muss genau untersuchen, welche Schicht in welcher Qualität erhalten und wie vollständig sie vorhanden ist", erläutert Wenger. Außerdem ist es wichtig zu beachten, aus welchem Grund der Restaurator eigentlich gerufen wurde. Soll überhaupt zwingend eine Malerei erhalten werden? Da der Beruf des Restaurators sich mit dem Wandel der Denkmalpflege verändert hat, ist diese Entscheidung auch immer abhängig von der Zeit, in der man sich befindet. "Früher waren Restauratoren eher Künstler. Heutzutage ist man dazu übergangen, die Werke hauptsächlich zu konservieren. Diese Bewegung geht in die Richtung der archäologischen Restaurierung. Konservierung bedeutet, die Substanz, die noch erhalten ist, so zu stabilisieren, dass sie möglichst lange erhalten bleibt", erklärt Wenger. Aus heutiger Sicht sind die Restauratoren früher leichtfertiger mit den Werken umgegangen. Dadurch trugen die Stücke am Ende der Restaurierung die Handschrift des Restaurators und waren nicht mehr typisch für die Zeit, aus der sie stammten. "Das Konservieren lässt allerdings den Blickwinkel außer Acht, dass es sich um ein Kunstwerk handelt. Man kann nicht in jedem Fall einfach nur ein Fragment stehen lassen", erläutert Wenger. "Ist jedoch der Schaden wichtig für die Aussage eines Objekts, gehen wir damit anders um, beispielsweise, wenn das Objekt im Krieg beschädigt wurde. Es gibt also unterschiedliche Bedeutungsebenen bei Kunstwerken, die alle beachtet werden müssen", sagt Wenger.
Restaurieren bedeutet, dass ein bestimmter Zustand eines Objekts wiederhergestellt wird. "Das geht allerdings nur, wenn man auch weiß, wie es im Original ausgesehen hat", so Wenger. Nur in Ausnahmefällen darf der Restaurator, obwohl er nicht weiß, wie das Kunstwerk aussah, den fehlenden Teil ersetzen.
Ein Anspruch der Restaurierung ist die sogenannte Reversibilität, das heißt, die Möglichkeit, einen Eingriff an einem Objekt wieder rückgängig machen zu können. "Ein Restaurator kann beispielsweise ein Ölgemälde mit Aquarell retuschieren. Das wird häufig gemacht, da so die Retuschen einfacher wieder abgenommen werden können, ohne das Original zu beschädigen", erläutert Wenger.
Restauratoren wandern durch die Kunstgeschichte und wenden das Wissen der Naturwissenschaften an. "Der Beruf ist sehr vielseitig. Man ist Wissenschaftler und steht aber auch gleichzeitig auf der Baustelle und legt Hand an", beschreibt Wenger. Nach getaner Arbeit hat sich, durch die liebevolle Behandlung und ständige Nähe zum Objekt, der Freundeskreis des Restaurators auf Lebenszeit um ein weiteres Objekt erweitert. In Köln mit seinen rund 9.000 Denkmälern kann das ein recht großer Freundeskreis werden ...


AUTORIN: ANISSA ZOGHLAMI

Irgendwie fehl am Platz findet Anissa das mittelalterliche Severinstor zwischen moderner Architektur und Latte-Macchiato-Muttis in der Kölner Südstadt. Und gerade deswegen so gut. Und noch was war da. Ach so: Karneval. Alaaf!