Denkmäler saubermachen - Der Graffitidoktor

Michael Krutwig ist "Spezialist für Graffitientfernung". Besonders für denkmalgeschützte Fassaden gibt es dabei viel zu beachten. Der Graffitidoktor weiß, welches Mittel wogegen am besten hilft.

Es ist zu kalt. Nicht pauschal oder für diese Jahreszeit, aber für Michael Krutwig und seine Arbeit. "Wir müssen den Termin verschieben. Erstmal um eine Woche, aber wenn das Wetter so bleibt, wahrscheinlich noch weiter", sagt der selbsternannte Doktor. Graffitidoktor, genauer gesagt. Unter diesem Namen hat Krutwig sich 2010 selbstständig gemacht, als "Spezialist für Graffitientfernung in Köln, Düsseldorf, Aachen, Bonn und dem Bundesgebiet", wie er auf seiner Website anpreist. Der 55-Jährige entfernt aber nicht nur Graffitis, sondern reinigt auch Fassaden, die ganz ohne fremdes Zutun schmutzig geworden sind – durch Wetter, Verkehr oder schlicht im Laufe der Zeit. Das geht allerdings nur bei Temperaturen über sieben Grad, damit die Wände nicht gefrieren.

Dass zu seinen Aufträgen hauptsächlich denkmalgeschützte Fassaden zählen, ist wenig verwunderlich: "Bei normalen Häusern machen sich die Leute in der Regel nicht die Mühe, das professionell entfernen zu lassen", sagt Krutwig. "Da wird meistens einfach drüber gestrichen." Bei Denkmälern und geschützten Fassaden geht das nicht so leicht.

torbo Engineering.
Schonendes Strahlverfahren zum Entfernen von Graffiti. Foto: torbo Engineering.

Erhält Michael Krutwig einen Auftrag, muss er die Wand erst einmal genau unter die Lupe nehmen. Und zwar beinahe wörtlich. Bevor der Graffitidoktor mit Reinigungsmittel und Strahlgerät anrückt, guckt er sich Wand und "Schmiererei" an – am liebsten persönlich vor Ort. Dort überprüft er zunächst die genaue Beschaffenheit der Mauer und des Graffitis, sofern eins entfernt werden soll. Er erkennt inzwischen die verschiedenen Sprühfarben und weiß, welche Tricks die Sprayer anwenden, um ihre Kunstwerke so irreversibel wie möglich zu machen. "Es gibt Sprühmittel, da habe selbst ich kaum eine Chance", sagt Krutwig. Welche das sind, muss geheim bleiben – soll ja niemand auf dumme Ideen kommen. Irgendeine Lösung gebe es aber in den allermeisten Fällen.

So schonend wie möglich

Bei der Auswahl des richtigen Reinigungsverfahrens versucht Krutwig immer, der Mauer so wenig Schaden wie möglich zuzufügen. In manchen Fällen reichen chemische Reinigungsmittel. Die reagieren auf die Lösungsmittel in der Sprühfarbe und lösen sie so von der Wand. Wenn das nicht hilft, muss der Graffitidoktor mit einem besonders schonenden Hochdruckverfahren ans Werk. "Da ist auch Sand im Spiel", erklärt Krutwig, "aber das ist nicht wirklich Sandstrahlen." Die einzelnen Sandkörner würden bei dieser Technik mit Wasser umhüllt, das Wasser platze dann beim Aufprall auf die Mauer vom Sand ab und nehme nur die oberste Farbschicht – also das Graffiti – mit.

Jede Reinigung einer denkmalgeschützten Fassade muss beim Amt für Denkmalschutz angemeldet werden. Krutwig muss dort genau angeben, welche Verfahren er anwenden will. Kommen Reinigungsmittel zum Einsatz, muss er deren Inhaltsstoffe auflisten. "Damit habe ich in der Regel wenig zu tun, das machen meistens meine Auftraggeber", sagt er. Gerade habe er aber selbst ein Reinigungsverfahren angemeldet. Auch dann gebe es selten Probleme. In den meisten Fällen würden die von ihm vorgeschlagenen Methoden abgesegnet: "Ich versuche ja ohnehin immer das schonendste Verfahren zu nutzen."

Oft kommt der Graffitidoktor aber nicht erst zum Einsatz, wenn eine Wand schmutzig oder beschmiert ist, sondern schon vorher. "Graffiti-Prävention" heißt das dann und klingt schon wieder verdächtig medizinisch. Die Schmierprävention gibt es in drei Abstufungen: temporär, semipermanent und permanent. Bei allen drei Stufen wird auf die Mauer eine Art Wachsschicht aufgetragen, die ihre Poren versiegelt, aber nicht verschließt. Wird eine durch dieses Verfahren geschützte Wand besprüht, lässt sich das Graffiti anschließend mit entsprechenden Reinigungsmitteln einfach abwaschen. Je nach Stufe hält die Wachsschicht einmal, mehrere Male oder für immer. Auch diese Versiegelungen müssen beim Amt für Denkmalschutz angemeldet werden: "Das Wichtigste beim Denkmalschutz ist eigentlich immer, dass alles reversibel ist", erklärt Krutwig. Die Wand muss also theoretisch in ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzbar sein.

Sprayer-Ehrenkodex als Präventivmaßnahme

Auch wenn man vielleicht anderes vermuten würde, privat stört sich Michael Krutwig nicht an Schmierereien. Für echte Graffitis kann er sich sogar regelrecht begeistern. "Das ist ja zum Teil große Kunst, was die Sprayer da machen", sagt er. Diese Begeisterung für gute Graffitis im Gegensatz zu bloßen Schmierereien versucht er auch mit dem Job als Graffitidoktor zu verbinden. An Stellen, die immer wieder besprüht werden, gebe es nur eine Lösung: "Ich sage vielen meiner Kunden, wenn Sie da dauerhaft etwas haben wollen, was keine Geschmiere ist und schön aussieht, müssen sie das professionell besprühen lassen." Krutwig weiß: Unter Sprayern gibt es einen Ehrenkodex. Wo ein aufwendiges Graffiti ist, wird nicht mehr rumgeschmiert.

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Der Graffitidoktor, Michael Krutwig. Foto: Thorsten Schiller

Diese Art der Prävention konnte der Graffitidoktor auch in Köln bereits durchsetzen. "Die Haltestelle Frankfurter Straße habe ich sprühen lassen", erzählt er. Damals, 2008, arbeitete Krutwig noch für die Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) im Bereich Bauunterhaltung und Objektreinigung. Immer wieder sei die Mauer an der Haltestelle mit unschönem Geschmier verunstaltet worden. Also wendete sich Krutwig an die Profis: Die Mittwochsmaler, ein Kölner Graffiti- und Jugendkunstprojekt aus Bilderstöckchen. Krutwig stellte drei Bedingungen an die Jugendlichen: Keine Werbung, keine Beleidigungen, nichts gegen die KVB. Er ließ sich Entwürfe vorlegen und gab sein OK. Innerhalb von sechs Wochen wurde die komplette Haltestelle besprüht. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Das Projekt sei vor allem bei den Anwohnern rund um die Haltestelle auf große Begeisterung gestoßen, sagt Krutwig. Als Präventivmaßnahme für Denkmäler dürften sich die Auftragsgraffitis allerdings weniger eignen. Stichwort aus dem Amt für Denkmalschutz: reversibel.

Auch weniger schöne Graffitis als das an der Haltestelle der Linie 1 bringen Krutwig in seiner Freizeit nicht aus der Ruhe. Das schaffen nur die, die ihm ins Handwerk pfuschen: "Wenn ich sehe, dass da jemand versucht hat, etwas wegzumachen, das ärgert mich." Denn: Nach einer falschen Behandlung der Graffitis hilft nur noch eines – Streichen. Und das darf Krutwig ohne Ausbildung als Maler nicht, schon gar nicht denkmalgeschützte Fassaden.


AUTORIN: TANJA MOKOSCH

Tanja hat einen Indianer auf der Suche nach Graffitis an denkmalgeschützten Fassaden in der Südstadt entdeckt und mag ihn seither. Sie hofft deswegen, dass der Graffitidoktor hier nicht zum Einsatz kommt. Wäre zu schade – und das würde er selbst sicher auch so sehen. Der Graffitidoktor, nicht der Indianer. Der vielleicht auch.